Wissensvorsprung

Forschung auf höchstem Niveau

Die Fragen, die sich unsere Wissenschaftler/innen stellen, sind vielfältig. Die Antworten, die sie finden, sind für Wirtschaft und Politik höchst relevant. Die Urheber/innen der interessantesten Arbeiten zeichneten wir auch 2019 wieder mit dem Titel „Researcher of the Month“ aus.

Auto oder öffentlicher Verkehr?

Über eine Stunde sind Österreicher/innen täglich unterwegs. Wie wählen sie die Verkehrsmittel aus? Stefanie Peer vom Institute for Multi-Level Governance and Development untersuchte, wie sich die Bewertung der Reisezeit nach Verkehrsmittel (Auto, Bahn, öffentlicher Verkehr/Nahverkehr, Fahrrad, zu Fuß), Zeitdimension (kurz- bzw. langfristig) und Personengruppe unterscheidet. Dabei zeigte sich, dass Österreicher/innen eher für die Verkürzung der Reisezeit im Auto zu zahlen bereit sind als für die Verkürzung der Reisezeit im öffentlichen Verkehr.

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„Die Bewertung der Reisezeit bildet ab, wie viel Personen dafür zu zahlen bereit sind, dass sich die Reisezeit verkürzt, sodass sie mehr Zeit für andere Aktivitäten zur Verfügung haben. Aktuelle Studien zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft bei relativ hohem Reisekomfort geringer ist als bei niedrigem Reisekomfort.“
Stefanie Peer, Institute for Multi-Level Governance and Development

Bestimmt das Fahrverhalten die Versicherungssumme?

Rund 13.900 Kilometer werden in Österreich durchschnittlich pro Jahr mit dem Auto zurückgelegt. Je nach Fahrer/innen/profil bieten Versicherungen eine Vielzahl unterschiedlicher Versicherungsverträge. Alexander Mürmann (Department of Finance, Accounting and Statistics) analysierte die Auswirkung des Fahrverhaltens auf das Unfallrisiko und die Wahl des Versicherungsvertrags. Er fand heraus, dass häufiges Fahren das Unfallrisiko erhöht. Die Autofahrer/innen wählen ihren Versicherungsvertrag jedoch unabhängig von ihrem Fahrverhalten und der eigenen Risikobereitschaft.

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„Eine Erklärung ist, dass wir uns im Hinblick auf nicht finanzielle und finanzielle Risiken sehr unterschiedlich verhalten. Das heißt, wenn ich vorsichtig fahre, um Unfälle zu vermeiden, bedeutet das nicht automatisch, dass ich mich hoch versichere, um finanzielle Verluste zu vermeiden – und umgekehrt.“
Alexander Mürmann, Department of Finance, Accounting and Statistics

Wie entwickeln wir Besitzgefühle?

Bereits im Kleinkindalter entwickeln wir Besitzgefühle. Dabei geht es nicht um rechtlichen Besitz, sondern um psychologischen Besitz, der sich hinter dem Wörtchen „meins“ verbirgt. Bernadette Kamleitner (Institute for Marketing & Consumer Research) beschäftigte sich mit der Frage, wodurch und wofür wir Besitzgefühle entwickeln. Es zeigte sich, dass Menschen vor allem für jene Produkte Besitzgefühle entwickeln, die ergonomisch gut passen. Diese sind nämlich besonders gut kontrollierbar.

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„Wenn wir bei Dingen das Gefühl haben, sie besonders gut kontrollieren zu können, wir sie also richtig ‚im Griff‘ haben, so empfinden wir auch mehr Besitzgefühl. In der Folge passen Menschen auch häufig besser auf diese Dinge auf.“
Bernadette Kamleitner, Institute for Marketing & Consumer Research

Handelt die interne Revision immer objektiv?

Anne d’Arcy (Institut für Corporate Governance) untersuchte in einem Projekt, wie das Entscheidungsverhalten von internen Revisor/inn/en beeinflusst wird, wenn sie sowohl an das Management als auch an den Aufsichtsrat berichten und von den beiden Instanzen vorab unterschiedliche Ziele artikuliert werden. Dabei zeigte sich: Die Vorabkommunikation an interne Revisor/inn/en spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die Beurteilung von Prozessen geht.

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„Standardsetzer und der Gesetzgeber sollten sich bewusst sein, dass eine neue, zusätzliche Berichtslinie, also zum Beispiel die von internen Revisor/inn/en zum Aufsichtsrat, Zielkonflikte hervorruft. Damit können neben den erwünschten Wirkungen auch unerwünschte Nebeneffekte entstehen.“
Anne d’Arcy, Institut für Corporate Governance

Richtig spenden – aber wie?

Naturkatastrophen ziehen oftmals massive humanitäre Notlagen nach sich und erfordern rasche Hilfeleistung durch Organisationen. Private Spender/innen werden besonders bei konkreten, anlassbezogenen Spendenaufrufen aktiv. Dass anlass- und zweckgebundenes Spenden nicht nur positiv ist, zeigen Studien von Tina Wakolbinger (Institut für Transportwirtschaft und Logistik). Besonders bei Katastrophen, die großes mediales Interesse erregen, werden immer wieder zu viele zweckgebundene Spenden gesammelt, die zur Belastung werden können, wenn sie nicht umgewidmet werden dürfen.

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„Spender/innen, die nicht allgemein spenden, sondern ihr Geld nur zweckgebunden für bestimmte Katastrophen ausgeben, tun nicht nur Gutes damit. Zweckgebundene Spenden machen Organisationen unflexibel und verursachen dadurch oft zusätzliche Kosten.“
Tina Wakolbinger, Institut für Transportwirtschaft und Logistik

Was tun für mehr Frauen in Führungsetagen?

Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In Österreich liegt ihr Anteil in den Vorständen börsennotierter Unternehmen derzeit bei 4,9 Prozent. Heike Mensi-Klarbach vom Institute for Gender and Diversity in Organizations erforschte, welche Maßnahmen dazu beitragen können, dass Frauen in der Geschäftsleitung und im Aufsichtsrat häufiger vertreten sind. Wie die Studie zeigt, wirkt freiwillige Selbstregulierung ohne zusätzlichen Druck in Österreich nicht. Durch die glaubwürdige Androhung einer gesetzlichen Quote konnte jedoch ein Anstieg der Zahl von Frauen in Führungspositionen erreicht werden.

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„Weil ‚harte‘ Quoten Widerstand und Umgehungsversuche hervorrufen und letztlich alleine kaum einen nachhaltigen Kulturwandel bewirken können, stellen wirksame ‚weiche‘ Maßnahmen eine sinnvolle Alternative dar.“
Heike Mensi-Klarbach, Institute for Gender and Diversity in Organizations

Birgt ein Wechsel des Unternehmenssitzes Gefahren?

Steuervorteile, höhere Ausschüttungen an die Gesellschaft – der Wechsel des Satzungssitzes eines Unternehmens kann viele Vorteile mit sich bringen. Nicht selten wirkt sich der Wechsel allerdings nachteilig für die Minderheitsgesellschafter/innen aus. Martin Winner (Institut für Unternehmensrecht) und eine internationale Expert/innen/gruppe identifizierten Gesetzeslücken und Gefahren für Minderheitsgesellschafter/innen. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass den Gesellschafter/inne/n zu ihrem Schutz bei einem Satzungssitzwechsel das Recht eingeräumt werden sollte, die Gesellschaft mit einer fairen Abfindung zu verlassen.

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„Die Rechtsfragen sind so komplex, dass es am besten ist, wenn die Gesellschafter/innen selbst entscheiden können, ob sie in die neue Rechtsordnung wechseln wollen oder ob sie lieber gegen eine Abfindung austreten.“
Martin Winner, Institut für Unternehmensrecht

Wie werden Abteilungsleiter/innen zu Talentscouts?

Mitarbeiter/innen sind die Basis jedes Unternehmenserfolgs. Eine Schlüsselrolle im Erkennen von Talenten nehmen die Abteilungsleiter/innen ein. Diese Aufgabe können sie allerdings nur erfüllen, wenn sie ihre Mitarbeiter/innen wirklich ihren Leistungen entsprechend beurteilen. Isabella Grabner vom Institut für Unternehmensführung zeigte in einer Studie, dass die Leistungsbeurteilungen differenzierter ausfallen, wenn den Abteilungsleiter/inne/n Karriereschritte in Aussicht gestellt werden.

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„Unsere Ergebnisse zeigen, dass jene Abteilungsleitungen, die differenziert bewerteten, für das Wahrnehmen ihrer Rolle im Talentmanagement mit Karriereschritten belohnt werden.“
Isabella Grabner, Institut für Unternehmensführung

Wie funktioniert CETA?

Rund 1.600 Seiten umfasst das Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada. Es hat zum Ziel, das bestehende Welthandelsrecht weiterzuentwickeln, den Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie gegenseitige Investitionen zu fördern und die Wirtschaftsbeziehungen zu stärken. Erich Vranes (Institut für Europarecht und Internationales Recht) erforschte, welche rechtlichen Fragen sich bei der Anwendung ergeben. Für zukünftige Abkommen empfiehlt er mehr Transparenz bei der Verhandlung und eine bessere Information der nationalen Parlamente. Vertragskapitel, die dem Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Interessen wie Umweltschutz gewidmet sind, sollten rechtlich verbindlicher gestaltet werden.

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„Abkommen wie CETA sollen nach Vorstellung der EU ein Modell für weitere Abkommen mit anderen Staaten bilden. Diese Abkommen haben insofern auch hohe wirtschaftliche und geopolitische Bedeutung.“
Erich Vranes, Institut für Europarecht und Internationales Recht

Welche Auswirkungen hat Protektionismus?

Die Weltwirtschaftskrise der 1920er- und 1930er-Jahre war das einschneidendste wirtschaftliche Ereignis des 20. Jahrhunderts: Die Weltproduktion und der Welthandel sanken dramatisch. Welchen Anteil die sich verändernde Zollpolitik Großbritanniens daran hatte und was wir heute, in Zeiten des Brexits, daraus lernen können, steht im Fokus der Forschung von Markus Lampe (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte). Seine Ergebnisse machen deutlich, wie stark die Auswirkungen sein können, wenn multilateraler Handel und gleiche Marktzugangschancen nicht mehr gewährleistet werden.

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„Die britische Geschichte legt nahe, dass das Auflösen internationaler Handelssysteme, der politische Alleingang von Ländern, reale Folgen hatte, die zu nationalen und internationalen Spannungen beitragen konnten.“
Markus Lampe, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Beeinflusst die Wortwahl der EZB den Finanzmarkt?

Die Europäische Zentralbank (EZB) legt 8-mal im Jahr den Leitzins fest und verkündet ihn in einer Presseaussendung und einer anschließenden Pressekonferenz. Eine Studie von Christian Wagner vom Institute for Finance, Banking and Insurance zeigt, dass sich dabei nicht nur der Leitzins per se, sondern auch die Art und Weise der Kommunikation der EZB auf den Finanzmarkt auswirkt. Ein optimistischerer Ton der EZB ist ein Indikator für günstigere wirtschaftliche Entwicklungen.

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„Wir sehen, dass sich anhand der Tonänderungen künftige Zinsänderungen ganz gut prognostizieren lassen. Das heißt: Aus der Art und Weise, wie die EZB mit dem Markt kommuniziert, können wir Rückschlüsse auf ihre künftige Zinspolitik ziehen.“
Christian Wagner, Institute for Finance, Banking and Insurance

Wie bewertet man Kreditwürdigkeit?

Bonitätsbewertungen sind für Kreditvergaben unumgänglich. Doch der Dschungel von Bewertungsschemata ist dicht. Kurt Hornik (Institute for Statistics and Mathematics) erforscht, wie sich viele unterschiedliche Bewertungen zu einem konsensualen Ergebnis zusammenfügen lassen. Ein von ihm gemeinsam mit Kolleg/inn/en entwickeltes Modell liefert seit Jahren die Grundlage für eine der zentralen geldpolitischen Maßnahmen im Eurosystem.

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„Eine Variante unserer Modelle, die wir gemeinsam mit Kolleg/inn/en von der Oesterreichischen Nationalbank entwickelt haben, liefert seit Jahren die Grundlage für eine der zentralen geldpolitischen Maßnahmen im Euroraum. Nämlich den Banken frisches Kapital zur Verfügung zu stellen, wobei hinreichend hochwertige Kredite der Banken an Firmen als Sicherheit dienen.“
Kurt Hornik, Institute for Statistics and Mathematics
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